Habt ihr schonmal ein Buch gelesen, dass euch so richtig wütend gemacht hat? Ein totaler Leseflop, der so überhaupt nicht in euer Weltbild passen wollte, euch aufgewühlt hat und frustriert hat? Ich bin nach einigen Jahren als Buchbloggerin durch viele Hypes gegangen und leider war da das ein oder andere Exemplar dabei, dass ich nach dem beenden wütend in die Ecke gepfeffert habe. Da waren Exemplare voller Misogynie, Vorurteile, toxischem Verhalten und schlichtweg Dummheit. Es gab Liebesromane, die Geschlechtsverkehr ohne Kondom romantisiert haben, toxische Beziehungen verherrlicht haben oder einfach auch homophon waren. All diese Bücher haben mich wütend gemacht – und all diese Bücher haben von mir eine negative Rezension erhalten. Aber: Unter einer gewissen Bedingung.
Stellt euch vor…
Stellt euch vor, ihr schreibt ein Buch. Vielleicht ist es euer erstes Buch, vielleicht auch schon euer zehntes. Stellt euch vor, ihr steckt euer ganzes Herz in dieses Buch hinein und habt am Ende eine Geschichte, die euch vollkommen zufrieden stellt. Ihr gebt diese Geschichte ins Lektorat, bekommt gutes Feedback. Eure Freunde und eure Familie lieben das Buch. Es wird veröffentlicht – und plötzlich hagelt es schlechte Rezensionen. Eine nach der anderen. Es hört gar nicht mehr auf. Ihr seid enttäuscht und traurig. Dann schaut ihr genauer hin, lest einige Rezensionen und dann lest ihr, dass euer Schreibstil „langweilig“, eure Protagonisten „dämlich“ und das ganze Buch überhaupt super „doof“ ist. Keine konstruktive Kritik, sondern regelrechte Hassbriefe lest ihr. Und es kommt noch schlimmer: Man wirf euch vor, diskriminierende und problematische Aussagen in diesem Buch zu machen. Ihr erkennt plötzlich, welche Sätze oder Szenen vielleicht doch nicht richtig waren, erkennt, was ihr falsch gemacht habt und seht euer Buch jetzt mit ganz anderen Augen. Man nenn eure Geschichte vielleicht sexistisch, homophon oder rassistisch und ihr wünscht, ihr hättet all das früher erkannt. Doch erst jetzt habt ihr das Wissen, um dies zu erkennen, euer Buch aus anderen Augen zu sehen.
All diese Worte verletzen euch, denn schließlich habt ihr euer Buch mit ganzem Herzen und mit bestmöglichem Gewissen geschrieben. Ihr seht die Fehler und habt daraus gelernt, wollt es besser machen, aber diese Worte sitzen tief, lassen euch nicht los. In euch wächst Zweifel.
Lasst uns unterscheiden zwischen Meinung und Hass
Was ich mit diesem Gedankenspiel sagen möchte ist Folgendes: Mit dem Schreiben einer einfachen Rezension bewerten wir das Lebenswerk eines anderen Menschen, in dem vermutlich viel persönliches steckt. Doch wir dürfen dabei nie vergessen, dass wir eben ein Buch bewerten und nicht den Menschen dahinter. Kritik ist gut, doch sie sollte niemals persönlich verletzend sein. Es ist gut, ehrlich zu sein und es auszusprechen, wenn sich problematische Muster in einem Buch finden oder der Schreibstil noch ausbaufähig ist. Denn die Person am anderen Ende kann von solcher Kritik lernen, sich verbessern und sich selbst zu reflektieren. Ihr sollt einem Buch nicht mehr Sterne geben, als es verdient. Ihr sollt nur eure Wort mit Bedacht wählen. Denn es gibt auch Kritik, an der man nicht wachsen kann, sondern die Menschen zum Schrumpfen bringt. Die ihnen den Mut und die Kraft nimmt. Und diese Form der Kritik braucht es nicht. Denn mal ehrlich: Habt ihr schon immer alles zu 100% korrekt gemacht? Also bitte verzeiht anderen ihre Fehler und gebt ihnen die Chance, an sachlicher Kritik zu wachsen.
„Aber in Deutschland harrt doch Meinungsfreiheit. Und das ist ja nur meine Meinung.“ – Schön und gut, aber sobald deine Meinung einen anderen Menschen verletzt und ihn negativ beeinflusst, sollte man da nicht innehalten?
Ich selber habe mir also mit der Zeit eine Grenze bei meinen negativen Rezensionen gesetzt: Ich formuliere sie stets so, dass ich damit klarkommen würde, wenn jemand diese Meinung zu meinem Werk äußern würde. Ich möchte respektvoll mit dieser stundenlangen Arbeit eines anderen Menschen umgehen. Weil ich mir wünsche, dass man so auch mir mir umgeht. Wenn ich ein Buch schlecht finde, dann sage ich: „Ich finde das Buch schlecht, weil…“ und nicht sowas wie „Das Buch ist eine Schande für die deutsche Verlagswelt!“. So einfach kann es sein.
Was, wenn Autor*innen problematische Inhalte verbreiten?
Bei problematischen Aussagen vertrete ich die Meinung: Ansprechen und erklären. Wenn der Autor/die Autorin Kritik annimmt, sich entschuldigt und verbessert, dann sollte man dieser Person diesen einen Fehler nicht ewig vorhalten. Wenn aber auf berechtigte Kritik gar nicht oder uneinsichtig reagiert wird und sich nichts ändert, dann würde auch ich entweder weiter (höflich!) kritisieren oder eben auch die Bücher boykottieren.
Übrigens: Das Argument „Wer solche Meinungen nicht hören will, sollte nicht in der Öffentlichkeit stehen“ zählt nicht. Nur weil jemand öffentlich schreibt, heißt das nicht, dass wir alle zu rücksichtslos und gemein werden dürfen. ☝🏽
